Die Gruft der Riesen in Sakkara

Die Gruft der Riesen von Sakkara: Forschungsbericht von Gregor Spörri

Die Entdeckung des Serapeums

In der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts hatten Forscher – damals mehr Schatzsucher als Wissenschaftler – wenig Skrupel, ihre Ziele zu erreichen. Um bei Wissenschaftskollegen angesehen und in der breiten Öffentlichkeit populär zu sein, war es ein Muss, von seinen Expeditionen möglichst viele Schätze mit nach Hause zu bringen. Wie man dazu kam, war zweitrangig. Dynamit als Türöffner gehörte gewissermaßen zur Standardausrüstung eines jeden Forschers. Beim französischen Schatzsucher, Ausgräber und Ägyptologen Auguste Mariette war das nicht anders.

Ein wertvoller Schatz

1851 entdeckte Auguste Mariette in der Nähe der Djoser-Pyramide den Zugang zu einem Grab, in dem er kostbare Schätze vermutete. 3000 Jahre lang hatten Grabräuber offenbar vergeblich nach diesem Zugang gesucht. Mariettes Annahme schien sich zu bestätigen, denn hinter dem Eingang des Grabs wurde er von einer Apis-Stier-Statue empfangen. Daneben lagen weitere Statuen und Stelen mit dem Bildnis des heiligen Stiers.
Der Apis-Stier wurde von den alten Ägyptern als Verkörperung des Hauptschöpfergottes Ptah verehrt, welcher den Menschen einst aus Ton geformt haben soll.
Mariette nahm an, dass er sich im sog. Serapeum befände, einer jahrtausendealten Kult- und Grabstätte für ebendiese Apis-Stiere, wovon griechische Gelehrte bereits um das Jahr 25 vor Chr. berichteten. Der Franzose untersuchte die weitverzweigte Anlage und stieß dabei als Erstes auf das unversehrte Grab von Chaemwaset – einem Sohn von Pharao Ramses II.
Mariette ließ den kostbaren, aus rund 7000 Grabbeigaben bestehenden Schatz nach Paris bringen. Im Louvre-Museum kann man zahlreiche Teile dieses Schatzes bis heute bewundern.

Die Gruft der Riesen

Nach der Ausräumung von Chaemwasets Gruft in der sog. kleinen Galerie widmete sich Mariette den tieferliegenden Gewölben.
In der sog. großen Galerie stieß er auf 24 zugemauerte Nischen. In den Vormauerungen waren mit Hieroglyphen übersäte Stelen eingelassen. Mariette ließ die Mauern einreißen und erschrak. Denn in 22 von den 24 Nischen befanden sich steinerne Sarkophage so riesig, wie sie zu jener Zeit noch kein Mensch gesehen hatte. Auf den massiven Sargdeckeln türmten sich zusätzlich mehrere Schichten aus kleinen Steinblöcken, was den Eindruck erweckte, dass die Sargdeckel damit zusätzlich beschwert werden sollten. Doch wozu und weshalb?

Ein unglaubliches Gewicht 

Zwei der 24 Sarkophage befanden sich seltsamerweise in den Seitengängen des Serapeums. 
Die Behälter waren aus einem einzigen Granitblock herausgearbeitet worden. Es gab Särge aus Rosengranit, aus grauem Granit, aus Diorit, Syenit, Granodiorit und so weiter. Alles sehr harte und nur schwer zu bearbeitende Materialien. Mariettes Begleiter, Monsieur Linant de Bellefonds, vermaß einen der Sarkophage und errechnete daraus ein Gewicht von mindestens 65 Tonnen. Bei einem zweiten Behälter kam er sogar auf ein Gewicht von über 70 Tonnen.

Ein großes Rätsel

Der Fund war zwar eine absolute Sensation, doch etwas verwunderte Mariette sehr: Alle Sargdeckel – mit über 20 Tonnen so schwer wie die Tresorraum-Türen von Fort Knox – waren etwas zur Seite geschoben. Die Särge standen also einen Spaltbreit offen. Ein kurzer Blick hinein genügte, um festzustellen, dass sie allesamt leer waren. Mariette und seine Begleiter waren darüber höchst irritiert, denn es fanden sich keinerlei Hinweise darauf, dass die Anlage von Grabräubern heimgesucht oder anderweitig geplündert worden war.

Ein einziger unberührter Sarkophag

Nur ein einziger der 24 Sarkophage war noch unberührt und versiegelt. Mariette und seine Helfer versuchten erfolglos, den tonnenschweren Deckel zur Seite zu schieben. Am Ende rückten sie dem Sarg sogar mit Dynamit auf den Leib. Nachdem sie ein Loch in den Behälter gesprengt hatten, war ihr Erstaunen umso größer, denn auch dieser Behälter war leer. Das Mysterium wurde damit umso größer.

Rätsel über Rätsel

Mariette fragte sich, ob die fehlenden Mumien aus irgendeinem Grund an einem anderen Ort beigesetzt worden waren. Sollte es eine Erklärung dafür geben, würde er sie bestimmt auf den Steintafeln (Stelen) finden, die es in großer Zahl sowohl im Vorraum der Gruft als auch bei den zugemauerten Nischen gab. Doch obschon sich Auguste Mariette mit der Hieroglyphen-Schrift gut auskannte, gelang es ihm nicht, die Stelen zu lesen. Mariette habe sich – so sagt man – bis an sein Lebensende über die scheinbar unberührte, aber dennoch leere Gruft den Kopf zerbrochen.
Später gelang es offenbar doch, die von Mariette nach Frankreich gebrachten Stelen zu entziffern. Die Texte berichten erwartungsgemäß von der Bestattung heiliger Apis-Stiere. 
Früher befanden sich Hunderte dieser Stelen in den Wänden und Vormauerungen des Serapeums. Heute zeugen nur noch leere Nischen davon, denn Mariette und seine Helfer hatten sie allesamt nach Frankreich gebracht.

Offene Fragen

1) Wie viele der Stelen-Texte wurden bis heute übersetzt?
2) Berichten diese Texte ausschließlich von Stier-Beisetzungen?
3) Beziehen sich die Texte auch auf die riesigen Sarkophage oder nur auf die Stier-Begräbnisse selbst? Denn in der Gruft befanden sich einst auch mehrere normal große Sarkophage aus Holz – bestens geeignet für die Beisetzung von Apis-Stier-Mumien.

Die offizielle Lehrmeinung und meine derzeitigen Einwände dagegen

Lehrmeinung 1: Das Serapeum diente einst der Verehrung der heiligen Apis-Stiere, die in den oberirdisch angelegten Stallungen lebten. Nach ihrem Tod wurden die Stiere einbalsamiert und in der unterirdischen Nekropole beigesetzt. 

Einwand: Das Serapeum besteht aus zwei räumlich getrennten Bereichen: Die sogenannte große und die kleine Galerie. In der kleinen Galerie wurden in Holz-Sarkophagen tatsächlich mumifizierte Körper von Menschen und Stieren aufgefunden. Aus diesem Teil der Nekropole stammen auch die von Mariette gehobenen Schätze sowie Stier-Artefakte, welche damals auf den Märkten in Kairo als Medizin feilgeboten wurden.
Die große Galerie ist etwas gänzlich anderes, denn nur hier gibt es die steinernen Riesen-Sarkophage. Weil die Ägyptologen den tatsächlichen Verwendungszweck nicht kennen, erklären sie, in diesen Monster-Särgen seien ebenfalls Apis-Stiere beigesetzt worden.

Lehrmeinung 2: Der weströmische Kaiser Honorius (384 bis 423 nach Chr.) ließ das Serapeum schließen. Mönche des in der Nähe liegenden Klosters des Heiligen Jeremias holten daraufhin die Stiermumien aus den Sarkophagen und zerstörten sie, um dem damals vorherrschenden Stierkult ein Ende zu setzen.

Einwand: Die Tiermumien hätten niemals in einem Stück durch die engen Schlitze der zur Seite geschobenen Sargdeckel gepasst. Hätten die Mönche die Mumien zuvor durch die Schlitze hindurch in kleinere Stücke zerteilt, gäbe es zwangsläufig Überreste dieser Zerlegungsaktionen.
Doch die Sarkophage waren allesamt blitzsauber und Auguste Mariette hatte mit keinem Wort Mumienreste erwähnt.

Fazit: Es gibt derzeit keine wissenschaftlich gesicherten Erkenntnisse über den Zweck der großen Galerie und der Riesen-Sarkophage.

Weitere Feststellungen & Fragen

1) Stiermumien sind im Grunde sehr einfach gestaltete, mit Stroh und Leinenbandagen in Form gebrachte Pakete. 
Die Stiermumien in Holzsärgen in der kleinen Galerie beizusetzen, ergibt Sinn. Keinen Sinn ergibt hingegen eine Beisetzung in den riesigen Granit-Sarkophagen. Diese waren mit unglaublichem Aufwand und höchster Präzision aus hartem, schwerem Granit gefertigt, der zuvor aus dem 1000 Kilometer entfernten Assuan herangeschafft werden musste.
Der Aufwand steht in keinem Verhältnis zum vermeintlichen Zweck!

2) Weshalb hätten die Ägypter für die Beisetzung der Stiere derart riesige Behälter anfertigen sollen?
Die Tiere wurden in liegender Stellung beigesetzt. Ein Stiermumien-Paket ist durchschnittlich 1,7 Meter lang, 0,7 Meter breit und 1,2 Meter hoch. Die Sarkophage sind im Schnitt jedoch 3,8 Meter lang, 2,3 Meter breit und 3,2 Meter hoch. 
Damit steht auch die Größe der Behälter in keinerlei Verhältnis zum vermeintlichen Zweck!

3) Die Apis-Stiere waren den Ägyptern heilig. Ihre Körper wurden mumifiziert, damit sie im Totenreich wieder auferstehen. Es gab keinen Grund, die Tiere auf eine Art und Weise zu bestatten, wie man es vielleicht mit Ungeheuern tun würde, die man auf ewig wegsperren will.

4) Weshalb sollten die Särge mit 20 Tonnen schweren, plan geschliffenen, luftdichten Deckeln verschlossen und versiegelt werden, obschon bei Mumien keinerlei Zersetzung stattfindet?



5) Weshalb wurden auf die 20-Tonnen-Deckel nochmals mehrere Tonnen Steine obendrauf gepackt, so als könne man auf diese Weise verhindern, dass etwas gewaltig Starkes aus den Särgen ausbricht?

6) Weshalb wurden die Sarkophage teilweise in den Boden eingemauert, obwohl das den Bestattungsbräuchen der alten Ägypter widerspricht?

7) Weshalb wurden die Nischen mit den Sarkophagen zugemauert, wenn es sich doch um eine Wallfahrtsstätte für angebetete heilige Tiere handelt?

8) Was hat es mit den ominösen Steintafeln auf sich, die einst in der Vormauerung der Nischen eingelassen waren? Wurden sie zerstört oder an einen anderen Ort gebracht? Welche Informationen/Botschaften waren in diesen Tafeln eingemeißelt?

Ein wichtiges Detail: Die genannten Tafeln bei den Nischen sind nicht zu verwechseln mit den vielen ‚Geschenktafeln‘ der Pilger, die sich einst im Eingangsbereich des Serapeums befanden.

9) Jeder Sarkophag ist anders in der Art der verwendeten Granitsorte, in der Größe, in seiner Form und dem Gewicht. Weshalb haben die Steinmetze auf das äußere Erscheinungsbild der Särge wenig Wert gelegt? Die Behälter sind äußerlich alles andere als perfekt gearbeitet. Es wimmelt nur so von schrägen Kanten, krummen Flächen, Dellen usw.

10)  Weshalb wurde das unsichtbare Innere der Behälter hingegen perfekt gestaltet? Die Böden, Seitenwände und Innenseiten der Deckel sind absolut plan geschliffen. Die Behälter können luftdicht verschlossen werden. Die Winkel der Innenecken und Kanten weisen exakt 90 Grad auf. Und der Radius der Innenecken beträgt minimale vier bis fünf Millimeter.
Wozu dieser immense Aufwand, den am Ende doch keiner sieht?

11) Weshalb waren die Behälter allem Aufwand zum Trotz leer? Fanden nur rituelle Scheinbestattungen statt? Dann ist der getätigte Aufwand dafür noch unverständlicher! Werden wir das Rätsel jemals lüften?

12) Mit welchen Werkzeugen hatten die alten Ägypter den extrem harten Granitstein derart exakt bearbeiten und polieren können? Das härteste Metall, was sie damals offiziell besaßen, war Eisen. Bis heute stellt das Bearbeiten von Granit eine enorme technische Herausforderung dar, die nur mit speziellen Geräten und Maschinen möglich sind.

13) Drei der 24 Sarkophage besitzen Inschriften. Die zum Teil mehr schlecht als recht eingeritzten Hieroglyphen nennen Könige aus der 26. und 27. Dynastie (400 – 500 vor Chr.). Die eingeritzten Texte widersprechen damit aber der Theorie der Apis-Stier-Beisetzungen.

14) Ist es möglich, dass die kolossalen Behälter um einiges älter sind und vielleicht sogar aus dem Neolithikum stammen – also der Jungsteinzeit, in der einst die biblischen Riesen (Nephilim) gelebt haben sollen? Haben die Ägypter die Behälter damit sozusagen aus 1. Hand übernommen und für ihre Zwecke weiterverwendet?

Fazit

Aus oben genannten Gründen frage ich mich, ob ein Zusammenhang bestehen könnte zwischen den riesigen Sarkophagen im Serapeum von Sakkara und den ebenfalls riesigen unfertigen Sarkophagen in der unvollendeten Felsenkammer unter der Großen Pyramide? Beide Stätten geben bei Ägyptologen sowie Alternativforschern noch immer große Rätsel auf.

Lesen Sie dazu Die Große Pyramide in Gizeh: Gruft der Riesen.

Besichtigung des Serapeums

Seit 2011 ist die große Galerie für Besucher zugänglich. Bei der Renovation ist leider viel Ursprüngliches verloren gegangen. So wurde unter anderem der originale Steinboden mit einem Parkettboden überdeckt und in den Sarg-Nischen wurden zum Schutz gegen Einstürze massive Stahlgerüste errichtet.

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